Vor genau 15 Monaten

Vor genau 15 Monaten: „Behinderungen durch das Fällen von Bäumen“ – Originaltext LWV vs Stand der Erkenntnis heute


Mit der Überschrift „Behinderungen durch das Fällen von Bäumen“ erschien am 22. Februar 2019 eine auf den ersten Blick fast zu banale Pressemitteilung des LWV Hessen. Warum, so fragte sich damals manche Leserin, ist dem LWV ein solches Thema eine ausführliche Pressemitteilung wert?


In den folgenden Monaten wurde Stück für Stück und größtenteils gegen den Willen der Verantwortlichen immer deutlicher, warum die Führung des LWV ein massives Problem mit der hinter dieser ablenkenden Überschrift versteckten Thematik hat. Nicht die kurzzeitigen Behinderungen auf der wenig befahrenen, abgelegenen Nebenstrecke im Kellerwald ist die tatsächliche Neuigkeit, sondern die erst im zweiten Absatz der Pressemitteilung angesprochene, vom LWV geplante „Renaturierung der Wohrateiche“. Was folgt, sind aus heutiger Sicht falsche Angaben, Halbwahrheiten und nicht eingehaltene Versprechen in einem von der Bevölkerung nicht für möglich gehaltenem Umfang.

Einige Beispiele, bei denen wir den heutigen Erkenntnisstand einem Zitat aus der Pressemitteilung vom 22. Februar 2019 gegenüber stellen:


Die Fällarbeiten sind der notwendige erste Schritt auf dem Weg zur geplanten Renaturierung der Wohrateiche, die oberhalb des Klosters Haina liegen. Eigentümer ist die vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen verwaltete Stiftung. – Der LWV durfte aus Rechtsgründen keinen das Verschwinden der Teiche (nichts anderes hat der LWV mit seiner Form der Renaturierung vor) einleitenden Eingriff in das Naturschutzgebiet vornehmen. Denn laut RP, der über dieser Frage ausdauernd gebrütet hat, wird erst nach einem ergebnisoffenen Planfeststellungsverfahren entschieden, wie es mit den Teichen weiter geht. Also kann erst nach Abschluss dieses Verfahrens und nur falls es wie vom LWV gewünscht endet, mit der Abriss-“Renaturierung“ begonnen werden. Außerdem hat der LWV missverständliche bzw. unvollständige Angaben zur Verantwortlichkeit für die Teiche gemacht. Eigentümer sind wohl die Stiftungsforsten, die über viele Jahre hohe Gewinne erwirtschaftet haben. Inzwischen ist klar, dass der LWV selbst die Verantwortung für den Zustand der Teiche trägt.


Die Obere Wasserbehörde beim Regierungspräsidium (RP) in Kassel überprüft seit Längerem die Hochwassersicherheit der Dämme. Diese sind durch Aufweichungen und eingewachsenes Wurzelwerk mürbe geworden. Starkregen, Hochwasser oder Stürme, die die Bäume umwerfen könnten, bergen die Gefahr, dass die Dämme reißen und die Ortschaft Haina überschwemmt würde. In Abstimmung zwischen LWV, RP, Vitos Haina und den Stiftungsforsten ist zur Gefahrenabwehr ein Rückbau der zwei Stauteiche geplant. Für die Wohra sollen das ursprüngliche Bachbett und die offene Talaue wiederhergestellt und so der Status des Naturschutzgebietes erhalten werden. – Die Dämme sind nicht durch unabwendbare Naturereignisse in ihren aktuellen Zustand gekommen, sondern durch drei Jahrzehnte Vernachlässigung von Eigentümerpflichten. Dass die Führung des LWV nicht einmal auf die Idee kommt, der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ könne auch auf sie bezogen sein, führt zu anhaltendem Unverständnis. Der Versuch von Herrn Schütz, Wurzelwerk und Bäume als Verursacher darzustellen, ist eine Unterschätzung der Intelligenz zumindest eines Teils der Öffentlichkeit. Beim wenig professionellen Agieren schon fast keine Bemerkung mehr wert: Die Behauptung, auch der RP sei mit dem vom LWV geplanten „Rückbau“ der Teiche einverstanden, erwies sich als Redaktionsversehen bzw. Falschmeldung.


"Die Renaturierung bietet die Chance, einen noch wertvolleren Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten zu schaffen", erklärte Dieter Schütz als der für die Stiftungsforsten zuständige Beigeordnete beim LWV. Der künftig wieder natürliche Bachlauf mit Kies- und Schotterbänken und naturnahen Ufern sei ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung des besonderen Ökosystems der Wohra-Auen. Die guten Argumente für den Naturschutz und die mindestens dreimal so hohen Kosten, die eine Sanierung der Staudämme mit sich bringen würde, hätten zu der Entscheidung geführt, die Wohrateiche aufzugeben. – Die Menschen vor Ort und die Zeitungsleserinnen mussten erfahren, dass Herr Schütz nachweislich die Unwahrheit gesagt hat; ob aus Unerfahrenheit in Naturschutzdingen oder zur bewussten Täuschung der Bevölkerung, mag er selbst beurteilen. Inzwischen liegen detaillierte Auflistungen der Tierarten und -zahlen vor, die auf Veranlassung des LWV in den Teichen entfernt wurden. Bei den Zwangsentfernten handelt es sich laut Abfischgutachten von Herrn Dr. Hübner vom 19.11.2019 um insgesamt 24.237 Rotaugen, Flussbarsche, Kaulbarsche, Hechte, Karpfen, Brassen, Güster, Bachneunaugen, Groppen, Bachneunaugen, Bachforelle, daneben 6.163 Edelkrebse und 341 Großmuscheln. Eine Rückkehr dieser oder anderer Arten ist soweit bekannt nicht geplant. Wie, so muss sich Herr Schütz fragen lassen, passt das zu seiner Aussage von einem noch wertvolleren Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten? Wie kann man den Kernbestand der einzigartigen Tierwelt „entsorgen“ und das für einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des besonderen Ökosystems der Wohra-Auen halten? Wie kann man auf die Idee kommen, das radikale Ausräumen der die Fauna-Landschaft oberhalb Hainas prägenden Spezies als gutes Argument für den Naturschutz zu bezeichnen?


Der Rückbau der Stauteiche soll schrittweise in enger Abstimmung zwischen dem LWV und dem RP nach einem Renaturierungskonzept erfolgen, das ein Kasseler Ingenieurbüro mit Erfahrung im Wasserbau erarbeitet hat. Die in den Wohrateichen heimischen, unter Naturschutz stehenden Edelkrebse, Bachmuscheln und Fische werden bei kühleren Temperaturen im Herbst abgefischt und umgesiedelt. - Herr Schütz suggeriert, es seien nur diese drei Tierarten betroffen bzw. er ging womöglich davon aus, weitere gesetzlich geschützte Tierarten können nicht vorhanden. Nachdem seine Annahme, es gebe keine Fledermäuse an den Teichen, sich durch ein leider lange verzögertes Gutachten als unzutreffend erwiesen hat, würde die geplante Beseitigung das Naturschutzgebiet nach der Schütz´schen Logik zusätzlich um bis zu 13 dann verlorene Fledermausarten „wertvoller„ machen. Selbst für die naivsten Beobachter wird deutlich, dass es Herrn Schutz einzig und allein um die angenommenen bzw. behaupteten Mehrkosten geht. Für den höheren Zweck die Kasse des LWV zu schonen, darf man die Wahrheit auch schon mal bis zur Unkenntlichkeit entstellen, mag sich der LWV-Kämmerer gedacht haben. Dass der Naturschutz bei seinen Planungen auf der Strecke bleibt, ist inzwischen keine bloße Befürchtung mehr, sondern dokumentiert. Am Rande bemerkt: Zufällig liegen die von Herrn Schütz angesetzten Mehrkosten für eine Erhaltungslösung in etwa bei den Mehrkosten, die für diese Wahlperiode dadurch entstehen, dass es einen zusätzlichen hauptamtlichen Beigeordneten beim LWV gibt.


"Die konkrete Umsetzung des Projektes findet in Absprache mit der Gemeinde Haina statt", versicherte Schütz. – Fakt ist, dass sich die Hainaer Gemeindevertretung - ohne Gegenstimmen für den Erhalt der Teiche ausgesprochen hat. Eine Absprache im Sinne einer Partnerschaft wird Herr Schütz wohl eher nicht gemeint haben. Absprache klingt hier eher wie Ansage. Die Hainaer kennen das.


Nur ganz knapp erwähnt der LWV im Übrigen, dass die Teiche in einem Naturschutzgebiet liegen, verschweigt dabei allerdings, welchen Namen es trägt, nämlich „Naturschutzgebiet Wohrateiche bei Haina“. Vielleicht war es selbst Herrn Schütz zu peinlich, näher zu erklären, was es mit diesem besonderen Naturschutzgebiet und der Verantwortung für dasselbe auf sich hat. Möglicherweise wären zu viele Fragen aufgekommen, die er nicht hätte beantworten wollen.


Nachfolgend kann die vollständige Pressemittelung im Original-Wortlaut gelesen werden:

Siehe auch https://www.lwv-hessen.de/lwv-politik/aktuelles/


K 107 in Höhe der Wohrateiche

Behinderungen durch das Fällen von Bäumen


Wegen Baumfällarbeiten auf den Dämmen der Wohrateiche sowie an und in den beiden Gräben rund um die Stauteiche wird die K 107 bei Haina ab Dienstag, 26. Februar, zeitweise gesperrt werden.

22.02.2019

Kassel/Haina (lwv): Mit Behinderungen müssen Autofahrer und Fußgänger ab Dienstag, 26. Februar, auf der Kreisstraße 107 bei Haina (Kloster) rechnen. Der Grund: Auf den Dämmen der Wohrateiche werden rund 20 Bäume von Mitarbeitern der Stiftungsforsten Kloster Haina gefällt. Weitere Bäume sollen in und an den beiden Gräben rund um die Stauteiche entfernt werden.

Die Fällarbeiten sind der notwendige erste Schritt auf dem Weg zur geplanten Renaturierung der Wohrateiche, die oberhalb des Klosters Haina liegen. Eigentümer ist die vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen verwaltete Stiftung. Die Obere Wasserbehörde beim Regierungspräsidium (RP) in Kassel überprüft seit Längerem die Hochwassersicherheit der Dämme. Diese sind durch Aufweichungen und eingewachsenes Wurzelwerk mürbe geworden. Starkregen, Hochwasser oder Stürme, die die Bäume umwerfen könnten, bergen die Gefahr, dass die Dämme reißen und die Ortschaft Haina überschwemmt würde. In Abstimmung zwischen LWV, RP, Vitos Haina und den Stiftungsforsten ist zur Gefahrenabwehr ein Rückbau der zwei Stauteiche geplant. Für die Wohra sollen das ursprüngliche Bachbett und die offene Talaue wiederhergestellt und so der Status des Naturschutzgebietes erhalten werden.


"Die Renaturierung bietet die Chance, einen noch wertvolleren Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten zu schaffen", erklärte Dieter Schütz als der für die Stiftungsforsten zuständige Beigeordnete beim LWV. Der künftig wieder natürliche Bachlauf mit Kies- und Schotterbänken und naturnahen Ufern sei ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung des besonderen Ökosystems der Wohra-Auen. Die guten Argumente für den Naturschutz und die mindestens dreimal so hohen Kosten, die eine Sanierung der Staudämme mit sich bringen würde, hätten zu der Entscheidung geführt, die Wohrateiche aufzugeben.

Der Rückbau der Stauteiche soll schrittweise in enger Abstimmung zwischen dem LWV und dem RP nach einem Renaturierungskonzept erfolgen, das ein Kasseler Ingenieurbüro mit Erfahrung im Wasserbau erarbeitet hat. Die in den Wohrateichen heimischen, unter Naturschutz stehenden Edelkrebse, Bachmuscheln und Fische werden bei kühleren Temperaturen im Herbst abgefischt und umgesiedelt. Ab dem Sommer sollen dazu die Wasserpegel in den beiden Staugewässern nach und nach gesenkt werden. "Die konkrete Umsetzung des Projektes findet in Absprache mit der Gemeinde Haina statt", versicherte Schütz.

Die jetzt anstehenden Baumfällarbeiten dulden keinen Aufschub, da wegen des Biotop- und Artenschutzes während der Brutzeit der Vögel keine Abholzungen nach dem 28. Februar erlaubt sind. Die Fällungen sind notwendig, um noch in diesem Jahr mit den Maßnahmen gegen die drohende Überschwemmungsgefahr für das Kloster, die Vitos-Kliniken und die Hainaer Bevölkerung beginnen zu können. Das Dezernat Oberirdische Gewässer und Hochwasserschutz sowie die Obere Naturschutzbehörde des RP Kassel haben die Baumfällungen genehmigt.

Der LWV wird rechtzeitig vor Beginn der Renaturierungsarbeiten zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung mit allen Beteiligten einladen.