Aus unserer Sicht: Wie war die Informationsveranstaltung des LWV am 8. April?

Für alle, die an der Informationsveranstaltung des LWV am 8. April im DGH Haina (Kloster) nicht teilnehmen konnten, hier einige Inhalte und Eindrücke, selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber mit einem herzlichen Dank an alle, die gekommen waren und sich engagiert haben:

Die kurz vor 18 Uhr eintreffenden Bürger bekamen auf den ersten Blick eine Reihe von drapierten Stehtischen mit dahinter postierten Rednerinnen und Rednern mit Headsets zu sehen. Der LWV hatte sich offensichtlich veranstaltungstechnisch professionell vorbereitet. Das nehmen wir als Wertschätzung aller teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger wahr. Herr Schütz als zuständiger Beigeordneter des LWV Hessen brachte bereits zu Beginn der Veranstaltung zum Ausdruck, dass ihm an einem fairen und offenen Umgang miteinander gelegen ist. Er mag dabei im Kopf gehabt haben, dass es diesbezüglich von Seiten des LWV und Vitos Versäumnisse gegeben hat. Herr Schütz betont seine Verantwortung als sparsamer Kämmerer und die Verantwortung des LWV für die Menschen mit Beeinträchtigungen. Auf andere Gegenstände und Aspekte seiner Verantwortung wird er im Verlauf der Veranstaltung durch Fragen der Teilnehmenden hingewiesen. Hierzu mehr weiter unten.

Ungeachtet der damit verbundenen Mehrkosten hatte sich der LWV dafür entschieden, eine Fernsehmoderatorin des Hessischen Rundfunks zu engagieren. Angesichts der Anwesenheit zweier hochbezahlter Pressesprecherinnen des LWV fragte sich mancher im gut gefüllten DGH, wie ernst die immer wiederkehrenden Beteuerungen von Sparzwängen („Jeden Euro für die Menschen mit Beeinträchtigungen“) tatsächlich zu nehmen sind. Die freundliche junge Frau skizzierte zu Beginn den Ablauf des Abends und schloss vorerst mit „…. und dann kommen Sie dran, liebes Publikum.“ - Anmerkung: Unter Publikum versteht man allgemein die Gesamtheit der Zuschauer und Zuhörer einer Veranstaltung. - Dass sich die Menschen in Haina nicht mit einer passiven Rolle begnügen würden, sollte sich im Laufe des Abends noch deutlich zeigen.

Herr Dr. Marburger, seit 2015 Leiter des Referats Hochwasserschutz im Regierungspräsidium Kassel, hinterließ nach seinem naturgemäß sehr fachlich gehaltenen Vortrag den Eindruck, als sei er aus mehreren Gründen unzufrieden, nämlich zum einen wegen der nicht optimalen Arbeit seiner Amtsvorgänger (der Zustand der Deiche war dem Wasserwirtschaftsamt seit 1992 bekannt), zum Zweiten mit der Pflege der Anlagen durch den Eigentümer („unzulässiger Zustand“, „länger nicht auf die Teiche geachtet worden“, „Betreiberüberwachung angeordnet worden“) und zum Dritten mit der durch den LWV erzeugten Verfahrenslage (der LWV hat von Anfang nur die Beseitigung der Teiche beantragt, Alternativen sollten nicht geprüft werden). Er selbst habe zum ersten Mal im Frühsommer 2016 Kenntnis erlangt und die Teiche in Augenschein genommen. Die von ihm im Zuge seiner fachkundigen Erläuterungen genannten Zahlen (zum Beispiel zur Wassermenge in den Teichen) stimmten nicht immer mit denen des LWV überein, wie überhaupt im Laufe des Abends aus Sicht der BI immer mehr Ungereimtheiten, Wissenslücken und offene Fragen als Licht kamen, nicht zuletzt durch die oftmals sehr präzisen Fragen der Hainaer. Insgesamt relativierte Herr Dr. Marburger das vom LWV beschworene Schreckensszenario einer Überflutungsgefahr „Das Versagensrisiko bei solchen kleineren Anlagen ist nicht ganz so umfangreich.“ Ob es noch zu einem Planfeststellungsverfahren kommen werde, ließ er offen.

Herr Schütz betonte, dass die Sicherheit für die Menschen das Wichtigste sei, ohne dass er oder die anderen Vertreter von LWV, RP, Vitos und den Stiftungsforsten die Gefahr eines Dammbruchs näher spezifizieren oder auch nur grob einschätzen konnten. Im Ergebnis drängte sich nachvollziehbar der Eindruck auf, dass niemand die Verantwortung übernehmen will, falls unter irgendwelchen Umständen und denkbaren Szenarien ein Dammbruch eintritt. Herr Dr. Marburger sprach davon, dass bei einem von ihm beobachteten Wasserhöchststand im Jahr 2016 (ca. 30 cm unter der Deichkrone) es schon ausgereicht hätte, wenn ein Kind mit einer Schaufel eine Rinne gegraben hätte, um eine Überflutung auszulösen. Allerdings konnten weder Herr Dr. Marburger noch ein anderer Vortragender die zu erwartenden Auswirkungen eines Dammbruchs auf das Vitos-Gelände oder die Gemeinde Haina näher skizzieren.

Herr Müller, Geschäftsführer von Vitos Haina, gab in seinem eher kurzen Statement zu „das hätten wir besser machen können“ und meinte damit offensichtlich die Verantwortung für den Zustand der Deiche. Ungeachtet der nicht leicht zu durchschauenden Verantwortlichkeiten im Verhältnis LWV-Vitos-Stiftungsforsten wurde im Verlauf der Veranstaltung machen Zuhörenden immer deutlicher, dass es wohl einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen einer jahrzehntelangen Vernachlässigung und dem aktuellen Zustand der Deiche und Anlagen. Die Aufforderungen von Herrn Müller und Herrn Schütz, nicht zurück, sondern in die Zukunft zu schauen, wurden von etlichen Angesprochenen denn auch als Wunsch interpretiert, den Mantel des Schweigens und Vergessens über die Versäumnisse zu breiten. So wirkte denn auch Müllers eher allgemein gehaltene Einladung zum Gespräch ein wenig wie die Bitte an die Gemeinde, die Bürger und die BI einer Verschuldensgemeinschaft beizutreten. Herr Müller hatte kurz zuvor erwähnt, dass Vitos ja auch in der Vergangenheit (Kläranlage, Wasserversorgung, Friedhof) zum Wohle der Gemeinde agierthabe. Im Übrigen sagt er, die Gewinnung von elektrischer Energie durch die wasserbetriebenen Turbinen sei für Vitos ohne Bedeutung. Dies wird später am Abend von Teilnehmenden angesichts der Energiewende und des Klimawandels kritisch hinterfragt.

Frau Pohl von der Oberen Naturschutzbehörde beim RP sprach von „schwierigen, langen Gesprächen“ und einem ersten limnologischen Gutachten im Herbst 2016. Sie erwähnte in ihrem umfangreichen Vortrag, dass noch nicht alle Informationen vorlägen um zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen. So stünde ein Umweltverträglichkeitsgutachten noch aus. Sie zeigte sich an dieser Stelle überzeugt, dass der Schutzgrund der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Wohrateiche bei Haina“ „so nicht zu retten“ sei. Allerdings lassen ihre Antworten auf im Verlauf des Abends gestellte Fragen sowie zusätzliche Informationen von verschiedenen Teilnehmenden die Deutung zu, dass auch Frau Pohl den einen oder anderen Aspekt einbeziehen bzw. neu bewerten könnte.

Herr Albus als Vertreter der Stiftungsforsten hielt einen forstfachlichen Vortrag.

Gertraude Wenz und Rosi Scholl übergaben im Anschluss an die Statements Herrn Schütz die 1.744 Unterschriften. An dieser Stelle darf festgestellt werden, dass die Wirkung der erfolgreichen Unterschriftensammlung nicht hoch genug einzuschätzen ist. Ohne den Einsatz der 1.744 Bürgerinnen und Bürger wäre der LWV wohl zu weit weniger Offenheit bereit gewesen.

Bürgermeister Köhler übergab mit sehr klaren Worten die Resolution der Gemeindevertretung an Herrn Schütz. Auch dies darf als Erfolg des Engagements der BI betrachtet werden. Danke, Gemeindevertreterinnen und -vertreter, danke Herr Köhler! Danke dafür, dass Haina geschlossen aufsteht und für den Erhalt der Teiche kämpft!

image1.jpg


Die nicht optimal vorbereitete Moderatorin leitete mit den Worten, nun sei „der offizielle Teil zu Ende“ die Zeit der Fragemöglichkeiten für „das Publikum“ ein, nachdem sie zu Beginn des Abends auf eine Bürgerfrage mit der Aufforderung reagiert hatte „Zwischenfragen bis zum Schluss“ aufzuheben. Schade war, dass sie gegen Ende der Veranstaltung trotz Protesten nicht mehr alle Wortmeldungen zuließ. Eine souveräne Moderation gibt allen Fragen Raum, zumal dies am Anfang des Abends so angekündigt worden war.

Auf Fragen antwortete Herr Dr. Marburger, nach seiner Überzeugung hätte bereits 1993 das erfolgen müssen, was nun leider erst 2016 eingeleitet wurde. Die Behörden hätten bereits vor über 25 Jahren tätig werden müssen. Nachdem die entsprechende Frage von der Moderatorin an Herrn Müller weitergegeben wurde - „Was war´s, Herr Müller?“ - sagte dieser wörtlich: „Ich würde den Fokus gern auf die Zukunft legen, nicht auf die Vergangenheit.“ Herr Schütz schloss mit den Worten an „Wenn es Versäumnisse in der Vergangenheit gegeben hat, dann entschuldige ich mich dafür.“ Bei einem intelligenten und integren Menschen wie Herrn Schütz darf man mutmaßen, dass er den Satz so gemeint haben könnte: 1. Ich trage erst seit meiner Wahl in 2017 Verantwortung beim LWV, bin aber bereit für das davor (nicht) Geschehene gerade zu stehen. 2. Ich erkläre, dass ich nicht weiß, ob wegen der inzwischen für jedermann sichtbar von meiner Behörde bzw. von Vitos zu verantwortenden Versäumnisse etwaige Dienstvergehen und die Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten zu prüfen sind oder bereits geprüft werden.

Auf Nachfrage sagte Herr Dr. Marburger sinngemäß, es habe keine Begutachtung der Deiche unter der Fragestellung gegeben diese zu erhalten. Grund dafür sei die von Anfang an feststehende Entscheidung des LWV, die Teiche zu beseitigen. Der LWV habe von Anfang an ohne Alternative agiert.

Herr Bastet vom NABU erklärte mit Nachdruck, der NABU schließe sich der Resolution der Gemeindevertretung an. Er prophezeite, dass die vom LWV veranschlagten Beträge bei weitem nicht ausreichend seien. Die Realisierung der sogenannten Renaturierung werde nach seiner Erfahrung mehr als doppelt so teuer.

Der Auftritt eines Vertreters der vom LWV beauftragten Firma AGC bestätigte in der Wahrnehmung vieler Anwesenden die Aussage von Herrn Bastet. Herr Wegener trug seinerseits (möglicherweise ungewollt) dazu bei weitere Naturschutz-, Hochwasserschutz- und Kostenfragen aufzuwerfen. Die Befürchtung, dass die Kosten deutlich steigen werden, konnte er jedenfalls nicht zerstreuen. (Es ist anzunehmen, dass sich diese Befürchtung aus Sicht seines Unternehmens auch nicht als Befürchtung darstellt.)

Auf Nachfrage sagte Herr Schütz, 65-85% der Kosten der Maßnahme seien als Fördermittel beantragt. (Was bei einem angegebenen Volumen von 1,1 Mio. Euro bedeuten würde, der LWV hätte im Idealfall lediglich 165.000 Euro zu zahlen, den Rest könnten die hessischen Steuerzahler übernehmen.)

In Nachgesprächen wurde die Frage gestellt, warum ein Naturschutzgebiet wegen anhaltender Schlamperei des Eigentümers faktisch beseitigt wird (trotz der eingangs der Veranstaltung von Frau Pohl gemachten Aussage „Wenn wir renaturieren, dann naturnah.“) und im Ergebnis die Steuerzahler dies auch noch bezahlen müssen.

Unbeantwortet blieb die Frage eines Bürgers, welchen Euro-Betrag der Eigentümer während der vergangenen Jahrzehnte dadurch gespart hat, dass er die erforderlichen Pflege- und Unterhaltungsarbeiten pflichtwidrig unterlassen hat. „30 Jahre lang bewusst alles vergammeln lassen, dabei massig Geld sparen und am Ende das Land Hessen den Abriss bezahlen lassen.“ so brachte es ein wütender Hainaer nach der Veranstaltung auf den Punkt.

Auf mehrere konkrete Fragen nach bautechnischen Alternativen um die Teiche ganz oder teilweise zu retten, konnten die Vertreter des RP nicht oder nicht fundiert inhaltlich antworten. Auch hierüber habe man sich seitens des RP mangels Antrag des LWV als Eigentümer keine Gedanken gemacht. Konkret: Mit welchem technischen und finanziellen Aufwand die Teiche zu erhalten wären, ist nie geprüft worden, weil dies der LWV von Anfang an nicht wollte. Bei dieser Gelegenheit wird deutlich, dass auch die Möglichkeiten Fördergelder für den Erhalt der Teiche einzuwerben, nie geprüft worden sind.

Mehrere konkrete Fragen zur brandschutzrechtlichen Relevanz der Teiche konnten nicht beantwortet werden. Dabei spielt für den LWV auch die in Zukunft infolge des Klimawandels mutmaßlich größer werdende Brandgefahr offensichtlich keine Rolle.

Ein Mann, der ein sogenanntes Renaturierungsprojekt in der Wettschaft kennt und beobachtet, zeigte sich entrüstet über die dortigen Verhältnisse. Er befürchtet aufgrund seiner Erfahrungen, dass in Haina Ähnliches passieren wird.

Was bleibt als Ergebnis?

  • Die Informationsveranstaltung hat nach unserer Wahrnehmung ihren Zweck zumindest zum Teil erfüllt, auch wenn manche Fragen, etwa zum Denkmalschutz, zu Heimat und kulturellem Erbe aus Zeitgründen nicht gestellt werden konnten.

  • Die Bürgerinnen und Bürger wissen nach langem Warten endlich mehr, auch wenn dieses Wissen das Drama um das Überleben der Teiche eher steigert. Was wir erfahren haben, macht uns noch fassungsloser, aber auch noch entschiedener.

  • Wir kennen jetzt neue technische Begriffe wie das „Schlitzen“. Das ist der von den Experten verwendete Fachausdruck für das Öffnen der Deiche am tiefsten Punkt um das Wasser kontrolliert abfließen zu lassen.

  • Für den Herbst 2019 wurde uns unmissverständlich das „Schlitzen“ der Deiche angekündigt. Das wäre dann das Ende der Hainaer Wohrateiche und der endgültige Abschied des LWV aus der Verantwortung.

Wie gehen wir damit um?

Wir lassen nicht zu, dass der LWV sich mit fachlich unausgegorenen Renaturierungs-Ankündigungen und einem Sterbegeld von netto 165.000 Euro aus seiner politischen, moralischen und historischen Verantwortung windet!

Martin Pompéry