“Die Zisterzienser gelten gemeinhin als Vorreiter des technischen Fortschritts bei der Nutzbarmachung des Wassers und der Wasserkraft im Mittelalter.“ So lautet der erste Satz des über 300 Seiten starken Werkes von Ulrich Knapp, Die Zisterzienser und das Wasser, Michael Imhof Verlag 2020, ISBN 978-3-7319-0350-5, das sich im Schwerpunkt mit den Abteien Bebenhausen, Maulbronn und Salem befasst.

Obwohl das Kloster Haina in dem Buch nicht beschrieben wird, wird deutlich, dass alle Zisterzienserklöster eine besonders enge Verbindung zum Wasser hatten. „Die Einrichtung eines Zisterzienserklosters war zumindest seit dem späten 12. Jahrhundert an bestimmte Grundvoraussetzungen gebunden … Einige Bedingungen mussten auf jeden Fall erfüllt sein: So war eine sichere Trinkwasserversorgung für das Kloster und seine Einwohner erforderlich. Weiterhin sollte, wie bereits die Regel des hl. Benedikt formuliert, eine Mühle im Kloster vorhanden sein, da Mehl und das damit gebackene Brot zu den wesentlichen Lebensmitteln im Kloster gehörten. … In den meisten Fällen dürfte es sich um eine mit Wasserkraft betriebene Mühle gehandelt haben. … Sehr wesentlich für ein Kloster war auch die Versorgung mit Fisch.“ (Seite 19)

Sollte dies als Ausnahme von der Regel in Haina anders gewesen sein? Ist es wahrscheinlich, dass in früheren Jahrhunderten zwar der weniger Wasser führenden Königsbach im Königsgrund gestaut und zur Teichwirtschaft genutzt wurde, nicht jedoch die über ein größeres Einzugsgebiet verfügende Wohra, noch dazu, wo sich das Kerbtal der Wohra oberhalb des Klosters für die Anlage von Teichen besonders eignet?

Diese im Ergebnis auf Intervention der Führung des LWV im Sommer 2019 von der Denkmalschutzbehörde im Sinne einer abgesenkten Relevanz beantworteten Fragen verdienen eine nähere Betrachtung.

Bekanntlich hat die Denkmalschutzbehörde nach Intervention des LWV von ihrer früheren Zuordnung des unteren Wohrateichs zur „Sachgesamtheit Landeshospital Haina“ im Jahr 2019 Abstand genommen und die Wohrateiche lediglich als „erhaltenswert“ eingestuft, was vom LWV erstaunlicherweise als Freibrief für dessen Beseitigung verstanden worden ist. Am 8. Juni 2019 war in der HNA unter der Überschrift „Wohrateiche nicht unter Denkmalschutz“ zu lesen: „Die Wohrateiche in Haina stehen nicht unter Denkmalschutz. Sie sind Anfang des 20. Jahrhunderts als Vorratsteiche für die Stromerzeugung angelegt worden“, gibt Elke Bockhorst, Sprecherin des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) die Auskunft von Bezirksdenkmalpfleger Dr. Bernhard Buchstab weiter. …“ Damit hatte der LWV sein bereits zuvor bekanntes Wunschergebnis formuliert und seiner Erwartung Ausdruck verliehen, die Wohrateiche nunmehr beseitigen zu können.

Als Grund für die revidierte Einstufung wurde der Umstand angegeben, dass keine Dokumente über die „mittelalterliche“ Existenz von Klosterteichen im oberen Wohratal gefunden wurden. Warum die Denkmalschutzbehörde vormals entweder offenbar fest von der Existenz entsprechender Belege ausgegangen ist oder dieses Kriterium für sie nicht entscheidend war, bleibt im Dunklen. Entweder es gab Belege, die verschollen sind, oder die Denkmalschutzbehörde konnte sich schlicht nichts Anderes vorstellen. Oder auch eine belegte spätere Entstehungszeit, etwa im 18. oder 19. Jahrhundert, hat für die Einbeziehung der Wohrateiche genügt.

Als „mittelalterlich“ gilt seit dem Einschreiten des LWV im Sommer 2019 nur noch der Königsteich. Nur er wird noch vom abschließenden Satz auf der Website der Denkmalpflege https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/objekte/ (dort „Haina“ eingeben) umfasst: „Insgesamt zeigt sich der ehemalige Klosterbezirk mit Wirtschaftshof, umgebendem Stamforschen Garten und dem mittelalterlichen Teich (bis 2019 wurde der Plural verwendet und auf der beigefügten Kartenzeichnung war auch der untere Wohrateich eingezeichnet) trotz der vielen Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte noch immer als historisch gewachsenes Ensemble von seltener Geschlossenheit.“

Dem Leser und der Leserin der Website der Denkmalschutzbehörde mag auffallen, dass viele der unter Denkmalschutz stehenden Objekte in der „Sachgesamtheit Landeshospital Haina“ offensichtlich nicht mittelalterlichen, sondern späteren Ursprungs sind. Trotzdem wurden sie – anders als der untere Wohrateich – nicht aus der „Sachgesamtheit“ erstaunlicherweise ausgeschlossen.

Die beiden Stauteiche wurden ab 1901 (Vorbereitungsarbeiten begannen bereits 1900) angelegt, also in der Zeit des Landeshospitals Haina. Viele der Bauwerke, die von der Denkmalschutzbehörde der „Sachgesamtheit Landeshospital Haina“ zugeordnet werden, haben ihre Entstehung in den Jahrzehnten um die vorvorige Jahrhundertwende, in den auch die Stauteiche angelegt wurden. Zwischen ihnen gibt es verschiedenste zeitgeschichtliche sozioökonomische Zusammenhänge, wie noch aufzuzeigen ist. Diese wurden über Jahrzehnte weder von Historikern noch vom LWV in Frage gestellt. Was genau für die Denkmalschutzbehörde nach deren Gesprächen der politischen LWV-Führung den Ausschlag gegeben, den unteren Wohrateich aus der Sachgesamtheit Landeshospital Haina herauszunehmen, ist nicht transparent.

Die Entscheidung bleibt aus zwei Gründen fachlich zweifelhaft. Zum einen ist nicht seriös zu bestreiten, dass es an der Stelle des unteren Wohrateiches einen Vorgängerteich gab. Denn für den unteren Stauweiher wurde nach historischen Dokumenten ein bereits vorhandener Teich lediglich erweitert. Zum anderen dürfte, davon unabhängig, diese 120 Jahre alte einmalige Anlage inzwischen selbst denkmalschutzwürdig sein. Auf den (noch?) nicht nachgewiesenen mittelalterlichen Ursprung des Weihers dürfte es insofern nicht ankommen, besonders vor dem Hintergrund, dass der Eigentümer kurzfristige finanzielle Eigeninteressen für alle sichtbar vor Naturschutz und vor Denkmalschutz stellt.  

 

BI Rettet die Wohrateiche